OLG Brandenburg: Elektronische Daten sind keine Sachen

Unter Verweis auf die bestehende BGH-Rechtsprechung erteilt das OLG Brandenburg all jenen eine Absage, die in elektronischen Daten eine Sache wie jedes andere handelbare Gut sehen wollen. Dies ist aber überall dort entscheidend, wo bestimmte Ansprüche an das Vorhandensein eines körperlichen Gegenstandes geknüpft sind, wie beispielsweise im Besitzrecht.

Das OLG Brandenburg hat nun entschieden, dass hinsichtlich elektronischer Daten kein Anspruch auf Abwehr einer Besitzstörung nach § 862 BGB besteht. Wohlgemerkt geht es hier nicht um Ansprüche nach der DSGVO sondern um Rechte an elektronischen Akten. In Bezug auf die elektronischen Daten fehle es nach Ansicht des OLG bereits an der Sacheigenschaft i. S. d. § 90 BGB, so dass die Besitzschutzvorschriften keine Anwendung finden (siehe BGH, Urteil vom 13.10.2015 – VI ZR 271/14, Rn. 20, juris; Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 90 Rn. 2). Soweit eine analoge Anwendung des Besitzschutzes auf Daten befürwortet wird (vgl. Hoeren, MMR 2019, 5; Michl, NJW 2019, 2729), überzeugt dies das OLG Brandenburg nicht.

Denn eine Analogie setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus. Zum anderen muss die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben sein, also der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Beschluss vom 10.10.2018 – XII ZB 231/18, NJW 2019, 153 Rn. 16; Beschluss vom 1.2.2017 – XII ZB 71/16, NJW 2017, 1946 Rn. 28, 31). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht anzunehmen, da der historische Gesetzgeber die Einbeziehung von Daten in den Besitzschutz nicht regeln wollte, weil es aufgrund des damaligen technischen Standes hierfür kein Bedürfnis gab.

Dass der Gesetzgeber, wenn er den technischen Fortschritt vorhergesehen hätte, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre, ist ebenfalls zu verneinen. Es fehlt schon an der Vergleichbarkeit. Daten können nicht die Körperlichkeit von Sachen i. S. d. § 90 BGB aufweisen, da sie sich anders als körperliche Gegenstände durch ihre Nicht-Rivalität, Nicht-Exklusivität und Nicht-Abnutzbarkeit auszeichnen, d. h. dass sie von einer Vielzahl von Nutzern verwendet werden können, ohne dass die Nutzung des jeweils anderen dadurch beeinträchtigt wird, dass sie ohne besonderen finanziellen Aufwand beliebig kopierbar sind und keiner Abnutzung oder Alterung unterliegen (so auch Hoeren, a. a. O., 6). Hinzu kommt, dass sich die Arbeitsgruppe „Digitaler Neustart“ der Justizministerinnen und Justizminister der Länder ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat und in ihrem 413 Seiten umfassenden Bericht festgestellt hat, das ein „Dateneigentum“ oder ein anderes absolutes Recht an digitalen Daten in der gegenwärtigen Rechtsordnung nicht existiere (Hoeren, a. a. O., 5).

Daher kann es nach Ansicht des OLG Brandenburg keine planwidrige, also ungewollte Lücke im Gesetz geben, so dass eine analoge Anwendung der Besitzschutzregeln für Sachen auf elektronische Daten nicht möglich ist. Angesichts der enormen Werte, die Datenbanken in Zeiten von Big Data für Unternehmen haben, ist eine gesetzliche Regelung dringend geboten. Leider ist eine zeitnahe Umsetzung durch den Gesetzgeber nicht abzusehen.

OLG Brandenburg
Urteil vom 06.11.2019, gerichtliches Az.: 4 U 123/19

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