ArbG Hamburg: Einsatz von ChatGPT nicht (immer) mitbestimmungspflichtig

In dem Rechtsstreit ging es darum, ob der Arbeitgeber, hier ein global agierender Hersteller im Bereich der Medizintechnik mit Sitz in Hamburg, ohne Zustimmung des Betriebsrates eine hausinterne Richtlinie für die Nutzung von ChatGPT erlassen darf. Das Unternehmen wollte dadurch generative Künstliche Intelligenz als neues Werkzeug den Mitarbeitenden bei der Arbeit zur Unterstützung nutzbar machen.

Die Besonderheit des Falles liegt hier in der Einbindung in die IT: ChatGPT und auch andere Systeme der generativen Künstlichen Intelligenz wurden nicht auf den Computersystemen des Unternehmens installiert. Die Nutzung der KI-Tools erfolgte vielmehr mittels Webbrowser und eines privaten Accounts. Der Arbeitgeber hatte also keine Informationen, welcher der Mitarbeiter einen Account eingerichtet hat, wann, in welchem Zusammenhang und wie lange er das Tool nützt und welche Informationen er gegenüber dem System preisgibt. Der im Unternehmen vorhandene Betriebsrat wollte die Nutzung der KI-Tools untersagen lassen, solange keine Rahmen-KBV zum Thema KI fertiggestellt ist.

Das ArbG Hamburg sah hier keine Verletzung von Vorschriften über zwingende Mitbestimmung. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sei das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten. Es beruht darauf, dass die Beschäftigten ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und deshalb dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Solche Maßnahmen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Dies soll gewährleisten, dass die Beschäftigten gleichberechtigt an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilhaben können.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BAG habe der Betriebsrat entgegen dem überschießenden Wortlaut nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist berührt, wenn die Maßnahme auf die Gestaltung des kollektiven Miteinander oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt. Mitbestimmungsfrei seien dagegen Maßnahmen, die das sog. Arbeitsverhalten der Beschäftigten regeln. Darum handelt es sich, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb Anordnungen, mit denen lediglich die Arbeitspflicht konkretisiert wird. Die Entscheidung, ob, wann und wie die vertraglich zugesagte Arbeit zu erledigen ist und wie deren Erbringung kontrolliert und gesichert wird, falle hingegen nicht unter den Mitbestimmungstatbestand.

Das Unternehmen stelle ihren Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht.

Das Unternehmen habe auch nicht etwa zwei Gruppen von Arbeitnehmern geschaffen, nämlich die Gruppe der Arbeitnehmer, die Künstlicher Intelligenz aufgeschlossen und die Gruppe, die dieser Entwicklung skeptisch gegenüberstehen, weshalb das Zusammenleben der Belegschaft und damit das Ordnungsverhalten betroffen seien.

Das Unternehmen habe auch nicht das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern seitens des Arbeitgebers erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, dass der Arbeitgeber Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer erheben und aufzuzeichnen kann. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.

Hier greift dann die Besonderheit, dass die KI-Systeme nicht auf den Computersystemen des Unternehmens installiert wurden. Will ein Arbeitnehmer diese Tools nutzen, muss er diese wie jede andere Homepage auch, mittels eines Browsers aufrufen. Zwar wird der Browser die Einwahl regelmäßig aufzeichnen. Dies stellt aber keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern ergibt sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichert. Der Browser selbst ist somit eine technische Einrichtung, die geeignet ist, Leistungs- und Verhaltensinformationen der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Zur Nutzung von Browsern haben die Beteiligten jedoch bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, weshalb der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits ausgeübt hat.

Wegen der besonderen konkreten Nutzung von ChatGPT über Browser und des Bestehens einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Internetbrowsern während der Arbeit wurde hier also die Verletzung des Mitbestimmungsrechts verneint. Im Umkehrschluss kann das aber bedeuten, dass bei einer Einbindung des ChatGPT in die IT-Infrastruktur des Unternehmens oder der Verwendung von Firmen-Accounts sehr wohl eine neue Betriebsvereinbarung geschlossen werden muss.

Das könnte dich auch interessieren …