Seit es das Internet gibt, ist eine sonst eher übliche juristische Handhabe in Verruf geraten: Die Abmahnung. Firmen wie Mediamarkt oder Saturn setzen sich sogar schon mal dem Verdacht aus, eher eine Marktbereinigung denn eine Verteidigung redlicher Rechtsgüter betreiben zu wollen. Abmahnungen stammen von unterschiedlichsten Anspruchstellern wie Urhebern oder Markeninhabern mit Betroffenen in der gesamten Bandbreite von e-Bay-Shops bis privaten Foren. Angesichts zahlreicher Abmahnwellen geistert im Internet fast schon die Fehlmeinung um, dass Abmahnungen grundsätzlich nur der Geldmacherei dienten und auf rechtlich dubiosen Ansprüchen beruhten. Es ist also dringend erforderlich, einmal grundsätzlich über das Abmahnwesen zu informieren.
Unter Abmahnung versteht man zunächst nur die außergerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs. Besondere Bedeutung hat diese vor allem im Wettbewerbsprozess, aber auch im Kennzeichenstreit ist die Abmahnung eine gängige Praxis, um von einem Verletzer die Unterlassung zu fordern und einen Rechtsstreit anzudrohen. Sinn und Zweck einer zuletzt vor allem im Internet häufig in Verruf geratenen Abmahnung ist es, den Verletzer außergerichtlich auf die bestehenden Rechte hinzuweisen und ihm einen teuren Rechtsstreit zu ersparen. Zur Sicherung der Ansprüche und der künftigen Unterlassung enthalten solche Abmahnungen häufig die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung verbunden mit einer Vertragsstrafe für den Fall, dass sich eine Verletzung wiederholt. Dem Abgemahnten wird also noch einmal Gelegenheit gegeben, trotz erfolgter Verletzung die Angelegenheit gütlich und günstig zu regeln.
Als besonders ärgerlich werden dabei vom Abgemahnten häufig die mit der Abmahnung verbundenen Anwaltskosten empfunden. Denn mit der Abmahnung fordert der Rechteinhaber den Gegner auf, die ihm entstandenen Anwaltskosten zu übernehmen. Die Kosten können sich je nach Streitwert schnell auf 500,00 EUR oder gar 2.000,00 EUR, bei Einschaltung eines Patentanwaltes sogar auf das doppelte der Summe belaufen. Bei einem Streitwert von beispielsweise 10.000,00 EUR liegen die Kosten bei c.a. 756,09 EUR bei 25.000,00 EUR schon bei 1.057,69 EUR. In Kennzeichenstreitsachen ist insbesondere bei bekannten Marken ein Streitwert von 250.000,00 EUR und darüber nicht selten. Die Anwaltskosten nur für die Abmahnung würden dann auf 3.117,62 EUR anwachsen. Das erscheint recht viel, doch erspart der Abmahner dem Verletzer durch die Abmahnung beim letztgenannten Streitwert eventuell Prozesskosten in Höhe von 17.216,00 EUR.
Man kann allerdings in manchen Fällen auch Missbrauch feststellen in der Form, dass größere Unternehmen die Abmahnungen und überzogene Streitwerte bewusst dazu benutzen, die Streitbereitschaft des Gegners zu erschüttern. Bei einem Prozesskostenrisiko von über 38.000,00 EUR für zwei Instanzen kann man schnell den Mut zum Durchführen eines Verfahrens verlieren, selbst dann wenn man eigentlich gute Aussichten auf Erfolg hat. Ein großes Unternehmen hat für derartige Prozesse eine Kriegskasse, ein kleineres Unternehmen sicher nicht. Schon aus diesem Grunde ist es von größter Wichtigkeit, vor Benutzung einer Bezeichnung für Waren oder Dienstleistungen, sei es auch nur als Internetdomain, bestehende Rechte Dritter zu prüfen und gegebenenfalls auf eine noch freie, i.e. nicht verwechslungsfähige Bezeichnung auszuweichen. Der Nachweis des Missbrauchs einer Abmahnung wird in der Regel nämlich nicht zu führen sein.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handeln die Markeninhaber aber zurecht, weil sie selbst ihre Marke gegen Verwässerung schützen müssen. Will man aber nicht jeden Verletzer gleich mit einem Kennzeichenstreit überziehen, ist die Abmahnung der richtige Weg, schnell eine außergerichliche Lösung herbeizuführen. Die Kostentragungspflicht wird von der Rechtsprechung meist unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet bzw. ist im neuen UWG nun auch gesetzlich normiert. Dadurch, dass der Rechteinhaber den Verletzer auf bestehende Rechte hinweist, die er nach dem Gesetz verpflichtet ist zu achten, nimmt er eigentlich dessen Geschäfte wahr und erspart ihm noch einen teuren Rechtsstreit. Dafür kann der Geschäftsführer (Markeninhaber) vom Geschäftsherrn (Verletzer) nach § 683 BGB den Ersatz seiner Aufwendungen, nämlich seiner eigenen Anwaltskosten verlangen.
Ist der Verletzer der Meinung, der Unterlassungsanspruch besteht, wird er sich der Abmahnung unterwerfen. Wichtig ist hierbei, dass die Vertragsstrafe im Falle einer erneuten Verletzungshandlung abstrakt, also ohne vorherige Prüfung der zugrundeliegende Markenrechte wirksam wird, wenn eine schriftliche Unterwerfung vorliegt. Dies muss man bedenken, wenn man eine solche Erklärung unterschreibt, weil die Vertragsstrafen wegen der damit verbundenen Zuständigkeit der Landgerichte oft nicht unter 5.000,00 EUR liegen. Sollte der Verletzer also bestehende Rechte noch einmal verletzen, sei es auch nur versehentlich (aber mit Fahrlässigkeitsvorwurf) auf einer versteckten Webseite, dann wird diese Vertragsstrafe fällig. Oft ist auch noch der Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen, so dass wegen einer Werbekampagne gleich mehrmals die Vertragsstrafe verwirkt sein kann. Bei Unterzeichnung einer solchen Unterwerfungserklärung ist daher größte Vorsicht geboten.
Die Abmahnung erfolgt in der Regel schon aus Beweisgründen für einen späteren Prozess schriftlich. Wird sie von einem Anwalt verfasst, was nicht zwingend notwendig ist, hat dieser regelmäßig eine Vollmacht beizufügen. Ob der Abgemahnte nach § 174 BGB einen Anspruch auf Vorlage der Vollmacht hat, ist strittig. Zur Vermeidung dieses Streits und eines unnötigen Zeitverlustes sollte der Anwalt in jedem Fall eine Originalvollmacht beifügen. Zur Vermeidung von Missverständnissen weisen wir noch einmal darauf hin, dass eine Abmahnung keine Zulässigkeitsvoraussetzung für einen späteren Rechtsstreit ist. Sie dient nur dazu, das Kostenrisiko des § 93 ZPO bei sofortigen Anerkenntnis abzuwenden und um dem Gegner die Kosten zu ersparen. Bei einem sofortigen Anerkenntnis („Mach ich nicht wieder, hätte mir der Kläger aber auch nur vorher sagen müssen.“) kann das Gericht nämlich bei Vorliegen besonderer Umstände auch dem voreiligen Kläger die Kosten auferlegen, auch dann, wenn er in der Hauptsache eigentlich obsiegt.
Eine unberechtigte Abmahnung kann jedenfalls im gewerblichen Bereich dazu führen, dass der Abgemahnte seine eigenen Anwaltskosten nun wiederum vom Abmahnenden ersetzt verlangt. Grundsätzlich ist allerdings der Kostenaufwand für die Verteidigung gegen eine unberechtigte Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes nicht erstattungsfähig, und zwar weder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag noch des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Bei einer unberechtigten Berufung auf tatsächliche nicht bestehende Schutzrechte hat der BGH nun aber grundsätzlich eine Haftung angenommen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine unberechtigte Abmahnung aus einem Kennzeichen: Wer ohne rechtlichen Grund einen Hersteller oder Abnehmer vor Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Kennzeichenrechts verwarnt, handelt rechtswidrig und kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Entsprechend kann derjenige, der sich gegen eine solche Verwarnung verteidigt und sich dazu anwaltlicher Hilfe bedient, die dadurch entstandenen Kosten von demjenigen erstattet verlangen, der die Abmahnung ausgesprochen hat. Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Wann eine Abmahnung berechtigt ist und wann nicht, kann angesichts der oft komplizierten Sachverhalte und noch schwierigeren Rechtslage letztlich nur von einem Anwalt beurteilt werden. Auch wenn hierdurch Kosten entstehen, gilt gerade bei Abmahnungen, dass man sehr frühzeitig anwaltlichen Rat einholen sollte und vor allem vom Gegner gesetzte Fristen beachten muss. Oft werden unberechtigte Abmahnungen nur deswegen zum Kostenfaktor, weil der Abgemahnte bestimmte Erklärungen falsch oder nicht rechtzeitig abgegeben hat. Keinesfalls sollte man sich auf Laienangaben in Internetforen verlassen, findet man dort doch oft Rechtsansichten, die sich mit der tatsächlichen Rechtslage nicht vereinen lassen. Der Rechtsanwalt prüft zunächst die geltend gemachten Ansprüche und Gegenansprüche und rät je nach Lage zur Verteidigung oder versucht eine gütliche Einigung herbeitzuführen. Die schlechteste Reaktion auf eine Abmahnung ist aber sicher, zu schweigen und zu hoffen, der Gegner werde die Sache ebenfalls vergessen. Dann kann es nicht lange dauern, bis die einstweilige Verfügung kommt.