BGH urteilt zum Schutz von Betriebsgeheimnissen
Das Urteil ist zwar schon aus dem März 2018, nun sind aber auch die Urteilsgründe veröffentlicht. Der BGH hat in diesem Urteil noch einmal betont, dass ehemalige Mitarbeiter sich für die Entwicklung von Technologien, auch keine privaten Aufzeichnungen aus der früheren Arbeitsstelle bedienen dürfen. Bei der Verwertung des am Arbeitsplatz erworbenen Know-Hows dürfen sie nur dasjenige Wissen verwenden, dass Sie als eigene Erinnerung im Kopf haben. Die Berechtigung, erworbene Kenntnisse nach Beendigung des Dienstverhältnisses auch zum Nachteil des früheren Dienstherrn einzusetzen, bezieht sich dagegen nicht auf Informationen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter nur deswegen noch bekannt sind, weil er auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann, die er während der Beschäftigungszeit angefertigt hat.
Liegen einem ausgeschiedenen Mitarbeiter hingegen während der Beschäftigungszeit angefertigte schriftliche Unterlagen – beispielsweise in Form privater Aufzeichnungen oder in Form einer auf dem privaten Computer abgespeicherten Datei – vor und entnimmt er ihnen ein Betriebsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geheimnis auch dann unbefugt im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung in der Lage ist, das als Verletzung des Betriebsgeheimnisses beanstandete Verhalten ohne Nutzung dieser Unterlagen vorzunehmen.
Für den Schutz als Betriebsgeheimnis kommt es nach BGH darauf an, ob die maßgebliche Tatsache, mag sie auch zum Stand der Technik gehören, nur mit einem großen Zeit- oder Kostenaufwand ausfindig, zugänglich und dem Unternehmer damit nutzbar gemacht werden kann. Danach können Konstruktionspläne, in denen Maße und Anordnungen technischer Bauteile einer Maschine verkörpert sind und deren Erstellung einen erheblichen Aufwand erfordert, als Betriebsgeheimnis geschützt sein. Eine den Geheimnischarakter einer Tatsache ausschließende Offenkundigkeit liegt vor, wenn die Tatsache allgemein bekannt ist. . Für die Prüfung des Vorliegens eines Betriebsgeheimnisses ist es ohne Belang, ob ein Mitarbeiter die entsprechenden Umstände kennt. Der Geheimnischarakter einer Tatsache wird regelmäßig nicht dadurch aufgehoben, dass Vorgänge in einem Produktionsbetrieb den dort Beschäftigten bekannt werden (BGH, GRUR 2003, 356, 358 [juris Rn. 40] – Präzisionsmessgeräte). Ob ein (ehemaliger) Mitarbeiter fachliches Erfahrungswissen hat, das ihn auch ohne Benutzung von während seines Beschäftigungsverhältnisses erhaltenen oder selbst gefertigten Unterlagen in die Lage versetzt, das als Verletzung eines Betriebsgeheimnisses beanstandete Verhalten vorzunehmen, ist allenfalls für die Frage erheblich, welche Verwertungshandlungen rechtlich zulässig sind.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist es untersagt, ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt zu verwerten oder jemandem mitzuteilen, das durch eine Mitteilung nach § 17 Abs. 1 UWG erlangt wurde oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG sich unbefugt verschafft oder gesichert worden ist, wenn zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht gehandelt wird, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen. Bei diesem Tatbestand handelt es sich, soweit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr betroffen ist, um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWG nF..
Etwas überraschend geht der BGH in seiner Begründung mit keinem Wort auf die anstehende Umsetzung der Know-How-Schutz-Richtlinie (EU-Richtlinie 2016/943 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom April 2016) ein. Danach ist z.B. das Reverse Engineering, also die
Untersuchung, Entschlüsselung oder der Rückbau eines öffentlich verfügbar gemachten oder rechtmäßig erworbenen Produkts, nun ausdrücklich zulässig, solange diese nicht über das Urheberrecht geschützt sind. Ein wesentlicher Unterschied zur bisherigen Rechtslage nach dem UWG besteht auch darin, dass nach der Richtlinie nur dann ein Geschäftsgeheimnis vorliegt, wenn die betreffende Information Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen des Geheimnisträgers ist. Das Unternehmen muss also in einem möglichen gerichtlichen Verfahren konkret vortragen und beweisen, welche Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz der jeweiligen Information getroffen wurden. Die nach bisherigem Recht oftmals etwas belächelte Verschwiegenheitserklärung (NDA) wird also künftig eine größere Bedeutung zukommen.
Bei allen vertraglichen Vereinbarungen über den Schutz von Firmengeheimnissen ist dringend zu empfehlen, diese durch Sanktionen zu flankieren. Als geeignete Maßnahmen im Falle von Vertraulichkeitsverletzungen kommen insbesondere Vertragsstrafen und Kündigungsrechte in Betracht. Allerdings müssen diese wegen drohender Nichtigkeit sorgsam formuliert werden.
BGH Urteil v. 22.03.2018 – (Hohlfasermembranspinnanlage II; Az.: I ZR 118/16)