EU-Richtlinie zu Lieferketten

Die EU hat nun eine eigene Richtlinie zur Kontrolle von Lieferketten durch Unternehmen vorgestellt. In Deutschland stellt das Lieferkettensorgfaltspflichtengsetz seit Anfang 2023 verbindliche Sorgfalts- und Handlungspflichten für deutsche Unternehmen auf. Die Vorstellungen der EU gehen dabei deutlich weiter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die EU-Richtlinie sieht eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vor und stellt umfassende Anforderungen an deren Strategie zur Einhaltung der auferlegten Sorgfaltspflichten, welche sich auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken. Betroffen sind- unabhängig von ihrem Sitz – Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Millionen Euro. Wenn ein Unternehmen in einem besonders kritischen Bereich wie etwa der Textilindustrie tätig sind, gelten die Vorschriften bereits ab 250 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro.

Die EU hat dabei vor allem das Ziel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, zu denen auch ihre menschenrechts- und umweltbezogenen Ziele zählen, vor Augen. Dazu müssen die Unternehmen umfassende Verfahren zur Abschwächung der negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt durch ihre Geschäftstätigkeit in ihren Wertschöpfungsketten umsetzen, Nachhaltigkeit in Unternehmensführungs- und Managementsysteme einbeziehen und die Menschenrechte, das Klima und die Umwelt sowie die langfristige Widerstandsfähigkeit des Unternehmens bei geschäftlichen Entscheidungen berücksichtigen.

Mit dieser Richtlinie soll sichergestellt werden, dass im Binnenmarkt tätige Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung und zur Nachhaltigkeitswende der Volkswirtschaften und Gesellschaften beitragen, indem sie potenzielle oder tatsächliche negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt im Zusammenhang mit der eigenen Geschäftstätigkeit, ihren Tochterunternehmen und ihren Wertschöpfungsketten ermitteln, vermeiden, abschwächen, beheben und minimieren.

Nach Ansicht der EU-Kommission wird mit dieser Richtlinie ein horizontaler Rahmen geschaffen, um den Beitrag der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und entlang ihrer Wertschöpfungsketten zu fördern, indem Unternehmen die durch ihre Tätigkeit verursachten negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln, verhindern, mindern und dafür Rechenschaft ablegen, und indem sie über angemessene Unternehmensführungs- und Managementsysteme sowie Maßnahmen zur Erfüllung dieses Zwecks verfügen.

Mit der Richtlinie soll insbesondere Folgendes erreicht werden:


1) Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken mit dem Ziel, Risikomanagement und Verfahren zur Minderung von Risiken im Zusammenhang mit Menschenrechten und Umweltauswirkungen, einschließlich Risiken aus den Wertschöpfungsketten, besser in Unternehmensstrategien zu integrieren,

2) Vermeidung einer Fragmentierung der Bestimmungen zu den Sorgfaltspflichten im Binnenmarkt und Schaffung von Rechtssicherheit für Unternehmen und Interessenträger in Bezug auf das erwartete Verhalten und die Haftung,

3) Erhöhung der Rechenschaftspflicht von Unternehmen für negative Auswirkungen und Sicherstellung der Kohärenz für Unternehmen in Bezug auf die Verpflichtungen im Rahmen bestehender und vorgeschlagener EU-Initiativen für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln,

4) Verbesserung des Zugangs zu Abhilfemaßnahmen für diejenigen, die von negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt durch unternehmerisches Verhalten betroffen sind,

5) als horizontales Instrument, das sich auf Geschäftsprozesse konzentriert und auch für die Wertschöpfungskette gilt, wird diese Richtlinie andere geltende oder vorgeschlagene Maßnahmen ergänzen, die direkt auf bestimmte spezifische Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit oder auf bestimmte Branchen, meist innerhalb der Union, abzielen.

Negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt treten nach Ansicht der EU bei der eigenen Geschäftstätigkeit der Unternehmen, ihren Tochterunternehmen, Produkten und ihren Wertschöpfungsketten auf, insbesondere auf der Ebene der Rohstoffbeschaffung, der Herstellung oder der Produkt- oder Abfallentsorgung. Damit die Sorgfaltspflicht zu sinnvollen Ergebnissen führt, sollte sie negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt abdecken, die während des gesamten Lebenszyklus der Produktion, der Verwendung und der Entsorgung von Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen auf der Ebene der eigenen Geschäftstätigkeit der Unternehmen, ihren Tochterunternehmen oder in der Wertschöpfungskette verursacht werden.

Nach der Vorstellung der EU sollten Unternehmen auch anstreben, dass ein direkter Geschäftspartner, mit dem sie eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhalten, vertraglich zusichert, dass er die Einhaltung des Verhaltenskodex und erforderlichenfalls des Präventionsplans des Unternehmens sicherstellen wird, unter anderem indem dieser von seinen Partnern entsprechende vertragliche Zusicherungen verlangt, soweit deren Tätigkeiten Teil der Wertschöpfungskette des Unternehmens sind. Die vertraglichen Zusicherungen sollten von geeigneten Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung begleitet werden. Die Lieferkette soll also durch eine vertragliche Haftungskette gewährleistet werden.

Der Entwurf ist als Richtlinie vorgesehen, welche nicht unmittelbar gilt, sondern von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. Dabei ist es durchaus möglich, dass es zu unterschiedlichen Regelungen innerhalb Europas kommt. Der Vorschlag muss nun vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten im Ministerrat angenommen werden, sodass abzuwarten bleibt, ob und wann er europaweit verbindlich wird.

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