LG Wiesbaden: SCRUM ist Werkvertrag

Und erneut wird ein angeblich modernes Projektverfahren von der Rechtsprechung „kassiert“. Eigentlich kann es niemanden überraschen, dass auch in SCRUM-Projekten der Erfolg einer funktionierenden Software/Systems im Vordergrund steht. Ähnlich wie schon zum Thema „Shrinkwrap-Verträgen“, Gebrauchtsoftware oder Serviceverträgen wird sich aber in Teilen der Branche über Jahre der rechtlich eigentlich klaren Realität verweigert. Nun stellt das LG Wiesbaden in begrüßenswerter Eindeutigkeit fest: SCRUM ist Werkvertrag. Man darf gespannt sein, ob dies auch von den zu erwartenden Gang durch die Instanzen so bestätigt wird.

Die Parteien vereinbarten, das Projekt im sog. SCRUM-Verfahren durchzuführen. Das SCRUM-Verfahren ist eine Methode sog. agiler Softwareentwicklung. Bei diesem Verfahren erfolgt die Softwareerstellung in kleinen Schritten orientiert an den vom Auftraggeber fortlaufend definierten Aufgaben oder vorgegebenen, in der Software abzubildenden Sachverhalten, ohne dass zuvor das Endergebnis der Entwicklung festgelegt ist. Diese Methode eignet sich besonders in den Fällen, in denen der Auftraggeber selbst nicht über genügende Kenntnisse verfügt, um wie bei der klassischen Softwareerstellung ein Lasten- und Pflichtenheft zu erstellen. Der Kunde beschreibt am Anfang in Umrissen, was er möchte. Durch die Entwicklung sog. Sprints wird die Software dann zur Projektreife entwickelt und programmiert. Der SCRUM-Master ist dafür verantwortlich, dass das Projekt gelinkt und das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Die Klägerin stellte im vorliegenden Fall den SCRUM-Master und das Programmierteam. Die Beklagte war der sog. Projekt-Owner und Trägerin des Projekts.

Nach Auffassung des LG Wiesbaden unterfällt das hier vorliegende Vertragsverhältnis, das durch den LOI vom 05./7.9.2012 dem Rahmen nach festgelegt wurde, den Vorschriften über Werkverträge. Zwar handelt es sich hier nicht um eine klassische IT-Leistung, sondern um eine Software-Erstellung im sog. SCRUM-System. In Abweichung von dem linearen Wasserfallmodell wird bei der agilen Softwareerstellung auf eine vorgeschaltete Planungsphase verzichtet, insbesondere auf die Erstellung eines Pflichtenhefts. Die Planung ist vielmehr unmittelbarer Bestandteil des Erstellungsprozesses und findet innerhalb der verschiedenen Sprints statt. Im Gegensatz zum klassischen Softwareerstellungsvertrag sind die Verantwortlichkeiten der Beteiligten nicht so deutlich voneinander abgegrenzt. Letztlich bleibt es jedoch auch bei der agilen Software-Erstellung bei der Konzeptionshoheit des Auftraggebers einerseits und der Ausführungsverantwortlichkeit des Auftragnehmers andererseits.

Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis der Erfolg geschuldet wird. Der von den Parteien im Vorfeld abgeschlossene LOI enthält keine Regelungen zur Vertragsnatur. Die Parteien haben jedoch unstreitig nach Abschluss des LOI weiterverhandelt, um eine ausgearbeitete Vertragsgrundlage für ihre Kooperation zu schaffen, die in einen unterschriftsreifen Vertrag gemündet hat, der allerdings von den Parteien nicht unterzeichnet wurde. In diesem Vertragsentwurf haben die Parteien die Leistungen der Klägerin dem Werkvertragsrecht unterstellt. Entscheidend für die Parteien war nicht die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des Projektes, sondern die Realisierung der angestrebten Plattform. Bereits im Oktober 2012 hat der Projektverantwortliche der Klägerin Abnahmekriterien für die Teilleistungen der Klägerin definiert. Schließlich haben die Parteien innerhalb der verschiedenen Sprints die zu erledigenden Aufgaben und den Umfang der Aufgaben konkret festgelegt. Gegen die Einordnung des Vertrages als Werkvertrag spricht nicht, dass die Parteien eine Vergütungsvereinbarung auf der Grundlage des Zeitaufwandes der Klägerin getroffen haben (BGH X ZR 17/92, Rz. 23, zitiert nach Juris).

Die Parteien hätten daher den Softwareerstellungsvertrag als Werkvertrag vereinbart, bei dem dann eine Leistung mittlerer Art und Güte geschuldet ist.

Urteil vom 30.11.2016; ger. Az.: -11 O 10/15-

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