Wechsel des Rechenzentrums nach dem Data Act
Am 11.1.2024 ist die Verordnung zur „Schaffung einheitlicher Vorschriften für den fairen Zugang zu Daten und deren faire Nutzung“ – kurz Data Act – in Kraft getreten. Oft ist nicht klar, was es für Unternehmen bringt. In der heutigen digitalen Welt ist Verlässlichkeit und Kontinuität eines IT-Partners unternehmenskritisch. ‚Peace of mind‘ ist die häufig anzutreffende Einstellung. Manchmal wundert es einen, was Unternehmen bereit sind hinzunehmen, um ja nicht den Vertragsfrieden mit dem Rechenzentrum und die Integrität der Unternehmensdaten zu gefährden. Hier setzt der Data Act an und soll Kunden die Flexibilität bringen, um den Cloud-Anbieter oder das Rechenzentrum wechseln zu können. Der Data Act (DA) und andere europäische Rechtsakte bieten einen rechtlichen Rahmen, der diesen Prozess regelt und sicherstellt, dass Unternehmen ihre Rechte wahren können. Es ergeben sich aus dem DA Möglichkeiten und Schritte, die Unternehmen beim Wechsel eines Cloud-Anbieters oder Rechenzentrums unternehmen müssen, und welche Rechte sie dabei haben.
Möglichkeiten des Anbieterwechsels
Tatsächlich haben Unternehmen verschiedene Möglichkeiten nach denn DA, ihren Cloud-Anbieter oder ihr Rechenzentrum zu verlassen. Diese umfassen:
1. Wechsel zu einem anderen Anbieter:
Unternehmen können zu einem anderen Cloud-Anbieter wechseln, der möglicherweise bessere Dienstleistungen, günstigere Preise oder eine bessere Übereinstimmung mit ihren Geschäftsanforderungen bietet.
2. Wechsel zu einer eigenen IKT-Infrastruktur:
Unternehmen können ihre Daten und Anwendungen auf eine eigene IT-Infrastruktur übertragen, die sie in ihren eigenen Räumlichkeiten betreiben.
3. Datenlöschung:
Unternehmen können auch entscheiden, ihre Daten vollständig zu löschen, wenn sie diese nicht mehr benötigen oder wenn sie zu einem anderen Anbieter wechseln möchten, ohne die Daten zu übertragen.
Schritte beim Anbieterwechsel
Der Anbieterwechsel gliedert sich dabei in mehrere Phasen, die im Data Act beschrieben sind:
1. Erklärung des Wechselverlangens:
Der Wechsel beginnt mit einem formellen Verlangen des Kunden, den Anbieter zu wechseln. Dieses Verlangen kann bestimmten Formerfordernissen unterliegen, die im Vertrag festgelegt sind, solange diese Anforderungen einfach und ohne Hindernisse zu erfüllen sind. Das Wechselverlangen muss auf dem gleichen Weg begehrt werden können, auf dem der Kunde dem Vertrag zugestimmt hat. Weil mit dem Wechselverlangen bereits Fristen laufen, können Anbieter in ihren AGB vorsehen, dass das Wechselverlangen eine Erklärung über die nach Art. 25 Abs. 3 DA gewünschten Maßnahmen enthalten muss (Migrationsziel).
2. Maximum Notice Period:
Nach dem Wechselverlangen beginnt eine maximale Kündigungsfrist von höchstens zwei Monaten. Während dieser Zeit kann der Anbieter den Wechsel vorbereiten.
3. Transitional Period:
Nach der Kündigungsfrist folgt eine Übergangsfrist von grundsätzlich 30 Tagen, in der der Anbieter den Wechsel technisch vollziehen muss. Diese Frist kann unter bestimmten Bedingungen verlängert werden.
4. Period for Data Retrieval:
Nach der Übergangsfrist haben Unternehmen mindestens 30 Kalendertage Zeit, um ihre Daten abzurufen oder vom neuen Anbieter abrufen zu lassen.
Rechte der Unternehmen
Der Data Act und andere relevante Rechtsvorschriften gewähren Unternehmen verschiedene Rechte während des Anbieterwechsels:
1. Fristloses Recht auf Wechsel:
Unternehmen haben das Recht, ihren Anbieter unabhängig von den Laufzeit- und Kündigungsregelungen des Vertrags zu wechseln. Durch die Formulierung im DA wird deutlich, dass das Verlangen nach einem Anbieterwechsel faktisch ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht ist. Es muss allerdings gar keine Kündigung, sondern ein Wechselverlangen erklärt werden.
2. Angepasste Vergütungspflichten:
Während der Kündigungs- und Übergangsphase müssen Unternehmen weiterhin die vereinbarte Vergütung für die standardmäßigen Dienstleistungen zahlen. Während der transitional period muss der Diensteanbieter die von ihm vertraglich geschuldeten Dienste weiterhin erbringen. Für zusätzliche Dienstleistungen, die über die vertraglich geschuldeten Leistungen hinausgehen, kann der Anbieter eine zusätzliche Vergütung verlangen.
3. Verbot von Wechselentgelten:
Ab dem 12. Januar 2027 sind Wechselentgelte vollständig verboten. Standarddienstleistungsgebühren und frühzeitige Kündigungsstrafen sind jedoch keine Wechselentgelte und können von den Anbietern weiterhin erhoben werden. Hier wird es sich aber lohnen, die Formulierung und die Angemessenheit solcher Gebühren zu prüfen. Für die Datenmigration selbst darf der Anbieter jedenfalls keine Vergütung zu verlangen, selbst dann nicht, wenn diese für den ursprünglichen Anbieter besonders aufwendig ist. Wenn der Kunde allerdings mehrere Datenverarbeitungsdienste nutzt (Multi-Cloud-Strategie), kann hiervon eine Ausnahme bestehen (vgl. Art. 34 Abs. 2 DA). Ob der Anbieter für die Zeit nach dem Wechsel bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde nach den vertraglichen Bestimmungen ordentlich hätte kündigen können, eine Pauschale Entschädigung verlangen kann, wird sich in den nächsten Jahren durch die zu erwartende Rechtsprechung zeigen.
4. Unterstützung durch den Anbieter:
Der Anbieter ist verpflichtet, den Wechsel zu unterstützen, indem er die Daten des Kunden zum Abruf bereitstellt, die Kontinuität des Geschäftsbetriebs während des Wechsels sicherstellt und ausreichende IT-Sicherheit gewährleistet. Der Kunde hat nun Zeit, seine Daten innerhalb von 30 Tagen abzurufen. Diese Frist sollte unbedingt eingehalten werden, denn im DA ist nicht geregelt, was passiert, wenn der Kunde es versäumt, innerhalb dieser Zeit die Daten abzurufen oder vom neuen Anbieter abrufen zu lassen. Zwar sieht Art. 25 Abs. 2 lit. c DA vor, dass der Vertrag erst mit erfolgreichem Vollzug des Anbieterwechsels enden soll. Aber Anbieter können in ihren AGB eine Ausschlussfrist formulieren, was wohl auch zulässig ist.
Anbieterwechsel bleibt ein Projekt
Der Wechsel eines Cloud-Anbieters oder Rechenzentrums kann für Unternehmen eine komplexe Aufgabe sein, die sorgfältige Planung und Durchführung erfordert. Der Data Act und andere europäische Rechtsakte bieten jedoch einen klaren rechtlichen Rahmen, der diesen Prozess erleichtert und sicherstellt, dass die Rechte der Unternehmen gewahrt bleiben. Durch die Einhaltung der vorgeschriebenen Schritte und die Nutzung der ihnen gewährten Rechte können Unternehmen einen reibungslosen und erfolgreichen Anbieterwechsel durchführen. Es wird auch weiterhin auf die sorgsame Planung und Absicherung des Prozesses mit ausreichend Vorlauf ankommen, um von der zu erwartenden Bewegung im Markt profitieren zu können.
Rechenzentren und Cloud-Anbieter sollten sich frühzeitig auf die Vorgaben des DA vorbereiten und die Vorhaltung von Personal und technischer Infrastruktur sicherstellen.