LG Hamburg zur Haftung für Links

In einem Urteil vom vom 13.06.2017, (ger. Az. 310 O 117/17) hat das LG Hamburg sich zur Haftung für verlinkte Inhalte geäußert. Die Darstellung von fremden Inhalten auf der eigenen Webseite würden von EuGH als öffentliche Wiedergabe eingestuft. Der EuGH hatte ausgeführt, dass es „für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum“ wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten [folgen Nachweise]“ (Urteil 26.04.2017 a.a.O., Tz. 33). Der EuGH habe damit eindeutig klargestellt,ausdrücklich klargestellt, dass eine solche Framing-Technik dazu verwendet werden kann, ein Werk öffentlich zugänglich zu machen (Beschluss 21.10.2014 a.a.O. Tz. 18). Aus Tz. 15 und 18 des zitierten Beschlusses ergibt sich aber auch, dass der EuGH ein solches Framing (wie schon Hyperlinks) nicht als gegenüber dem geframten Internetauftritt „neues technisches Verfahren“ ansieht, sondern allein darauf abstellt, ob durch das Framing ein neues Publikum erreicht wird.

Eine Verletzung von Schutzrechten Dritter scheidet jedoch in den Fällen aus, bei denen nicht auch willentlich und wissentlich auf rechtswidrige Inhalte verlinkt wird.

Um zu beurteilen, ob ein Nutzer eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vornimmt, sind nach EuGH-Rechtsprechung eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind; sie sind einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (EuGH, Urteil vom 26.04.2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems, zitiert nach juris-Rz. 30 m.w.N.). Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers hervorgehoben, der nämlich eine Wiedergabe vornehme, „ wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen“ (a.a.O. Tz. 32 m.w.N.). Der Gerichtshof hat ferner wiederholt hervorgehoben, dass es „nicht unerheblich ist, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient“(a.a.O. Tz. 34).

Ergibt sich in Verlinkungsfällen wie dem vorliegenden die Wiedergabe in objektiver Hinsicht nicht aus der Verwendung eines neuen technischen Verfahrens, sondern daraus, dass die Wiedergabe an ein „neues Publikum“ gerichtet ist, so muss sich in subjektiver Hinsicht beim Nutzer seine „Kenntnis der Folgen seines Verhaltens“ auch auf den Umstand beziehen, dass diejenige Wiedergabe, auf die er verlinkt, ihrerseits rechtswidrig erfolgt. Der EuGH geht davon aus, dass eine öffentliche Wiedergabe daher zu bejahen „für Fälle, in denen erwiesen ist, dass eine Person, die einen direkten Zugang zu geschützten Werken anbietet, wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihr gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft“ (a.a.O. Tz. 49).

Das LG Hamburg führt weiter aus, dass der Seitenbetreiber auch nicht hatte wissen müssen, dass die Links Rechte Dritter verletzen. Nach der Formulierung im EuGH-Urteil vom 26. April 2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems (zitiert nach juris) kann die öffentliche Wiedergabe angenommen werden in Fällen, in denen „erwiesen ist, dass eine Person […] wusste oder hätte wissen müssen“, dass ihr Link auf eine rechtswidrige Wiedergabe verweist. Die erkennende Kammer versteht dies dahin, dass auch solche Linksetzungen als Wiedergabehandlungen erfasst werden sollen, in denen der Linksetzende trotz seiner tatsächlichen Unkenntnis nicht als schutzwürdig erscheint, weil die Gründe seiner Unkenntnis in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen und von ihm zu vertreten sind, so dass es im Verhältnis zum Verletzen als unbillig erschiene, wenn sich der Linksetzer auf seine Unkenntnis berufen dürfte.

Für den Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht scheint der EuGH in der GS-Media-Entscheidung zwar in Tz. 51 davon auszugehen, dass von ihm stets erwartet werden könne, die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Indessen wäre dies ein Widerspruch zu den Ausführungen des EuGH in Tz. 34 seiner Entscheidung, wonach die „weiteren Kriterien“ (zu denen auch die Erwerbszwecke gehören) nur „zu berücksichtigen“ sind und dabei zu beachten ist, dass sie „im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können“. Da im Rahmen verschiedener Geschäftsmodelle ganz unterschiedliche tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen und Möglichkeiten für Rechterecherchen bestehen mögen, wäre es auch nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 20 der Grundrechtecharta vereinbar, für alle gewerblichen Linksetzungen allein aufgrund des quasi „kleinsten gemeinsamen Nenners“ der Gewinnerzielungsabsicht einen durchgehend einheitlichen Prüfungspflichten- und Sorgfaltsmaßstab anzunehmen. Daher muss es dem mit Gewinnerzielungsabsicht handelnden Linksetzenden möglich sein, sich darauf berufen zu können, dass die Linksetzung im Rahmen eines solchen Geschäftsmodells erfolgte, in welchem ihm Nachforschungen, die zur Kenntnis von der Unrechtsmäßigkeit der verlinkten Inhalte geführt hätten, nicht zumutbar waren; sofern sich aus dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.11.2016 – 310 O 402/16 – Architekturfotos -, insbesondere juris-Rz. 49 ein strengerer Haftungsmaßstab ergeben sollte, hält die Kammer an dieser Auffassung nicht mehr fest. Ob in diesem Zusammenhang von einer Beweislastumkehr oder nur von einer sekundären Behauptungslast des Linksetzenden auszugehen ist, kann die Kammer im vorliegenden Fall offen lassen.

Vor allem aber bei wirtschaftlicher Betrachtung waren dem Verfügungsbeklagten flächendeckende Vorabrecherchen zur Rechtmäßigkeit von Wiedergaben auf <amazon.de> nicht zumutbar. Aus den beigefügten Screenshots ergebe sich, dass der Webauftritt des Verfügungsbeklagten darauf angelegt ist, durch das unstreitig automatisierte Framing Zugang zu einer Vielzahl von Anzeigen aus unterschiedlichen Produktbereichen zu ermöglichen. Selbst wenn man von dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unstreitigen Vortrag des Beklagten ausgeht, er erhalte eine Vergütung bereits pro Klick auf einen Link, so kann es sich nach dem Geschäftsmodell nur um minimalste Vergütungen pro Klick handeln (da die bloße Weiterleitung per Inline Link ja noch keine Einnahmen aus einem Verkauf auf <amazon.de> garantiert), so dass flächendeckende Rechterecherchen wegen der damit verbunden Kosten das Geschäftsmodell ersichtlich hätten unrentabel werden lassen. Auch das hier gewählte Ziel der Verlinkung, die Seite <amazon.de>, gab keinen Anlass, eine nach dem Geschäftsmodell an sich wirtschaftlich nicht vertretbare Recherche im Einzelfall doch durchführen zu müssen.

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