BGH: Widerrufsbelehrung muss schriftlich erfolgen

Hier geht die Entwicklung wieder zurück in eine Zeit vor dem papierlosen Büro: Der BGH hat entschieden, dass für der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen nicht nur voraussetzt, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den gesetzlichen Anforderungen über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat. Vielmehr ist es auch erforderlich, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Informationen auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Zu diesen Informationen gehört auch diejenige über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB.

§ 356 Abs. 4 Satz 1 BGB fordert für den Verlust des Widerrufsrechts eine Erklärung des Verbrauchers, dass er Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer hat. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss zwar erteilt, die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB jedoch nicht ausgehändigt hat.

Hat der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB nicht ausgehändigt, steht ihm kein Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung zu. Das bedeutet also ein ewiges Widerrufsrecht ohne Nutzungsentschädigung.

Die Beklagten wollten ihr Reihenhaus in Münster (im Folgenden: Objekt) verkaufen. Zu diesem Zweck schalteten sie am 26. August 2017 eine Anzeige in der Zeitung, mit der sie das Objekt zum Preis von 395.000 € anboten. Daraufhin meldeten sich die späteren Erwerber bei den Beklagten mit Schreiben vom August 2017. Die Beklagten unterschrieben in ihrer Wohnung, in der sie der Kläger aufgesucht hatte, einen von ihm vorformulierten „Makler-Verkaufsauftrag“, der ein Alleinverkaufsauftrag war. Die Vertragsklausel sieht für den Fall, dass die Beklagten während der Dauer des Alleinverkaufsauftrags einen Kaufvertrag ohne Mitwirkung des Klägers schließen sollten, eine von ihnen zu zahlende Pauschalentschädigung des Klägers in Höhe von sieben Prozent des Gesamtverkaufspreises zuzüglich Umsatzsteuer vor. Die Beklagten unterzeichneten außerdem ein gesondertes Blatt mit einer Widerrufsbelehrung, in der darauf hingewiesen wird, dass für einen Widerruf das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwendet werden kann.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten den Maklervertrag und die Widerrufsbelehrung bei der Unterzeichnung des Maklerverkaufsauftrags mit einem Mobiltelefon fotografiert. Er, der Kläger, habe eine Kopie des Maklervertrags und der Widerrufsbelehrung in den Postkasten der Beklagten eingeworfen. Die Beklagten haben behauptet, erst mit Schreiben des vom Kläger eingeschalteten Rechtsanwalts Kopien des Maklervertrags und der Widerrufsbelehrung erhalten zu haben.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass das Widerrufsrecht der Beklagten nicht verfristet ist. Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist zwar 14 Tage. Sie beginnt auch mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Widerrufsfrist beginnt bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen jedoch nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den gesetzlichen Anforderungen unterrichtet hat.

Der Unternehmer kann diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 zum EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt. Zugleich muss der Unternehmer
dem Verbraucher die Informationen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag muss der Unternehmer die Informationen auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellen (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB).

Der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen setzt nicht nur voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat, sondern darüber hinaus, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Informationen auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Deshalb wird der Lauf der Widerrufsfrist erst in Gang gesetzt, wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Information über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat.

Der BGH gestand dem Makler nicht einmal Anspruch auf Wertersatz zu. Der Verbraucher schuldet nämlich im Falle eines Widerrufs eines Vertrags über die Erbringung von Dienstleistungen dem Unternehmer nur dann Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Dieser Anspruch besteht aber nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß informiert hat.

Urteil vom 26.11.2020; ger. Az.: I ZR 169/19

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