Kartellsenat des BGH kräftigt Rechte der Einzelhändler

Der BGH hat in einem nun veröffentlichten Beschluss vom 12.12.2017 klargestellt, dass ein Hersteller den Online-Händlern nicht verbieten kann, Preissuchmaschinen zu benutzen.

Der Sportschuhhersteller ASICS beabsichtigte, einen Selektivvertrieb einzuführen. Die dafür vorgesehenen Verträge, die einerseits für „konventionelle Händler“, andererseits für „Internethändler“ gelten sollten und als „Vertriebssystem 1.0“ bezeichnet wurden, sahen verschiedene Beschränkungen beim Vertrieb über das Internet vor.

Den Händlern war untersagt, einem Dritten zu erlauben, Markenzeichen von ASICS in jeglicher Form auf der Internetseite des Dritten zu verwenden, um Kunden auf die Internetseite des autorisierten ASICS-Händlers zu leiten. Der Vertrag sah ferner ein Verbot vor, die Funktionalität von Preisvergleichsmaschinen zu unterstützen. Darüber hinaus war den Händlern verboten, Vertragswaren über den Internetauftritt eines Dritten zu bewerben oder zu verkaufen, es sei denn, der Name oder das Logo der Plattform des Dritten würde nicht abgebildet.

Das Bundeskartellamt leitete im September 2011 gegen ASICS ein Verfahren nach § 32 GWB wegen des Verdachts des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 20 Abs. 1, 2 GWB aF ein. Mit Beschluss vom 26. August 2015 stellte das Bundeskartellamt nach § 32 Abs. 3 GWB fest, dass die (damalige) Anwendung des „Vertriebssystems 1.0“ durch ASICS gegenüber ihren in Deutschland ansässigen Händlern rechtswidrig war. Der BGH hat diese Entscheidung des Kartellamtes nun bestätigt.

Die betreffende Klausel im „Vertriebssystem 1.0“ der ASICS-Gruppe sieht vor, dass den Einzelhändlern eine Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen generell untersagt ist. Nach Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO gilt die Freistellung nach Art. 2 zwar nicht für vertikale Vereinbarungen, die die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems bezwecken. Der BGH stellt fest, dass die Frage, ob ein pauschales Verbot der Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen die Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher durch den Einzelhändler bezweckt, völlig unzweifelhaft ist und hierzu keine unterschiedlichen Auffassungen vertreten werden.

Auch kann den Ausführungen der Kommission (Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010/C 130/01) zu den Vertikal-Leitlinien nicht entnommen werden, dass die Kommission ein Per-se-Verbot der Unterstützung von Preissuchmaschinen durch den Einzelhändler nicht als Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO ansieht.

Auch sieht sich der BGH nicht zu einer Vorlage an den EuGH veranlasst. Anders als die Klausel, um die es in der Entscheidung „Pierre Fabre“ (EuGH, Slg. 2011, I-9447) ging, führe die hier in Rede stehende Klausel nicht dazu, dass dem Einzelhändler der Verkauf über das Internet de facto unmöglich gemacht wird, sondern beschränkt sie lediglich die Möglichkeiten, die dieser Vertriebsweg bietet. In der Entscheidung „Coty Germany GmbH“ (Urteil vom 6. Dezember 2017 – C-230/16) ging es um eine Klausel, die es den autorisierten Einzelhändlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxusartikel verbot, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten.

Es ist darüberhinaus auch unzweifelhaft, dass unter den hier vorliegenden Umständen ein solches Per-se-Verbot als Beschränkung zumindest des passiven Verkaufs an Endverbraucher durch die Einzelhändler zu qualifizieren ist und damit eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 Buchst. c Vertikal-GVO darstellt.

Durch dieses Verbot ist es den Einzelhändlern unabhängig davon, wie die jeweilige Preisvergleichsmaschine konkret ausgestaltet ist, untersagt, Preisvergleichsmaschinen durch die Bereitstellung entsprechender Schnittstellen zu unterstützen. Dies hat zur Folge, dass das Online-Angebot des Einzelhändlers über eine solche Preisvergleichsmaschine nicht aufgefunden werden kann.

Ein solches Verbot führt zu einer wesentlichen Beschränkung des Einzelhändlers im Online-Handel. Im Hinblick auf das große Produktangebot im Internet und die Vielzahl der dort tätigen Anbieter kommt Preissuchmaschinen eine erhebliche Bedeutung zu. Sie ermöglichen es den Internetnutzern, die sich bereits für ein konkretes Produkt entschieden haben und dieses erwerben wollen, gezielt danach zu suchen, welcher Händler es zu welchen Konditionen anbietet. Ein Einzelhändler kann danach durch ein preislich günstiges Angebot und die Verknüpfung mit einer Preissuchmaschine die Chance deutlich verbessern, dass Internetnutzer, die sich für das betreffende Produkt interessieren, sein Online-Angebot wahrnehmen.

Auch hier steht die EuGH-Rechtsprechung dem nicht entgegen. Der Gerichtshof hat in der COTY-Entscheidung ausgesprochen, dass ein den Händlern in einem selektiven Vertriebssystem für Luxuswaren auferlegtes Verbot, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten, unter den dort vorliegenden Umständen keine Kernbeschränkung i.S. von Art. 4 Buchst. b oder c Vertikal-GVO darstelle. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass den Händlern nach den vertraglichen Bestimmungen unter bestimmten Bedingungen gestattet war, über das Internet auf Drittplattformen und mittels Online-Suchmaschinen Werbung zu betreiben, was es den Kunden ermögliche, mittels solcher Suchmaschinen Zugang zum Internet-Angebot der Händler zu erlangen (Rn. 67).

Abgesehen davon, dass das „Vertriebssystem 1.0“ keine Luxuswaren betrifft, war den betroffenen Händlern nach diesem Vertrag nicht nur die Unterstützung der Funktionalität von Preissuchmaschinen verboten. Ihnen war darüber hinaus untersagt, einem Dritten zu gestatten, Markenzeichen von ASICS auf der Internetseite eines Dritten zu verwenden, um Kunden auf die Internetseite des Händlers zu leiten. Schließlich war es ihnen verboten, Vertragswaren über den Internetauftritt eines Dritten zu bewerben oder zu verkaufen, es sei denn, der Name oder das Logo der Plattform des Dritten würden nicht abgebildet. Bei einer solchen Kombination von Beschränkungen war – anders als in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union zu beurteilenden Fall – nicht gewährleistet, dass die Kunden, die sich für Produkte von ASICS interessieren, in praktisch erheblichem Umfang Zugang zum Internet-Angebot der Vertragshändler haben. Die Feststellung, dass die Anwendung des „Vertriebssystems 1.0“ rechtswidrig war, ist bereits dann gerechtfertigt, wenn diese Vereinbarung eine Klausel enthält, die als Kernbeschränkung zu qualifizieren ist und die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nicht vorliegen.

Zuguterletzt gibt der BGH den Händlern noch auf den Weg, dass eventuell der gesamte Vertrag nichtig sein kann. Wer als Händler daher im Nachhinein den Abschluss des Vertrages mit ASICS insgesamt bereut, sollte prüfen lassen, ob der Vertrag eventuell wegen Vertstoß gegen gesetzliche Verbote nichtig ist und man somit aus diesem Vertrag insgesamt frei wird.

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